Tagebuch eines Kriegsgefangenen in England
Narew-Offensive
Einstellung am 29.6.1915 in R. Inf. Rgt. 84 (Schleswiger Ersatz-Bataillon Husum, Schulstrasse). Im Sept. nach Rußland im Viehwagen. 1. Station Bad Kleinen. 2. Station Kowno (heute Kaunas), wo Rudolf und ich übermütig auf den Kanonen der eroberten Festung ritten. Ein Offizier photographierte uns: "Euch sieht man an, daß Ihr Kriegsfreiwillige seid". (Bild verloren).
Von Wilna Marsch (1/3 Marschverluste!) am Njemen (Memel) entlang zum Narotschsee (Belarus). Verlaust in elenden Unterständen. Ich plötzlich allein auf Urlaub geschickt zum Kriegsabitur "Husum 20.12.1915! Anfang Januar zurück zur Kompagnie. 1. Station Soldatenheim in Wilna. Einsamer Marsch durch Schneesturm. Erschöpft im tiefen Schnee niedergesunken. Gerettet durch das Knarren eines hölzernen Ziehbrunnens in einem russischen Dorf. Verwundet 16.2.1916 bei Arillerie-Beschuß im Schützengraben auf Posten. Rudolf bringt mich zum "Sanitäter". In den Händen die leeren Kochgeschirre meiner Gruppe. Ein Panje-Wagen mit ein paar Tannenzweigen "gepolstert" bringt mich zum Hauptverbandsplatz.In Wilna lag ich auf dem Hof des Lazarettes auf einer Bahre stundenlang Nach Entfernung des Granatsplitters und des Eiterherdes Transport mit der Bahn in das Krankenhaus in Schlochau.
Im April nach Husum Genesenden-Kompagnie mit leichten Dienst (Süderstraße / Schützenhof). 1.7.-28.8.1916 Lokstedter Lager bei Itzehoe. Res.Offizier Kursus (mit unsinnigem Drill). 1.4.16 Gefreiter. 27.5.16 Unteroffizier wieder an die Front ...? In Rußland Rattenplage trotz Katze im Unterstand und Hunger. 18.12.16 Vizefeldwebel. Das ganze Regiment R.I.R. 266 nach Frankreich (Artois): 1. Quartier gutes Bett bei einer Witwe mit 2 Töchtern, alle in Schwarz, in Douai. Dann ging die Hölle des Westens los bei Arras und Lens („Frühjahrsschlacht oder auch Osterschlacht bei Arras“ ), Somain und Henin - LIétard. Schwere Arbeiten in schwerem Boden (Lehm und Kreide) mit schwerem Beschuß zum 1. Mal mit Schiffsgeschützen der Englnder (38 cm ?). Verschüttet und gefangen (mein Putzer Sickert aus Thüringen biß in meine Wickelgamaschen). ...
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Colsterdale, Yorkshire im Jahre 1917
15.11.1917 in England
Draußen heult der Sturm durch die Baracken des Gefangenenlagers. Jenseits der stachlichen, undurchdringlichen Umzäunung verkriecht der englische Wachtposten sich in seinem Schützhäuschen. Sein neues, vor kurzem auch hier eingeführtes langes Gewehr mit dem aufgepflanzten Seitengewehr lehnt ruhig in der Ecke.
Wir 19 Offiziere der Baracke 5 sitzen still beim Spiel, bei Arbeiten oder Lesen. Einer liest "La Vie Parisienne", die scheußliche französische Zeitschrift, die neuerdings vom neuen englischen Kommandant erlaubt ist, einer sitzt über der eben gekommenen "History and Encyclopaedia of the War" der Times. Hier paukt einer russische Vokabeln, dort vertieft sich einer in Finanzwissenschaft. Ein Architekt arbeitet einen Entwurf für eine zweistöckige Familienwohnung aus. (Friedrich, Georg. Mohring. Buchberger.) Fries schreibt für seinen nächsten Vertrag über Plastik der alten Römer. Guggenheimer beendet das von ihm entworfene und verzierte Bild für ein Konzert der Kammermusik im Südlager.
Bemerkung aus Notizbuch: Nacht von 13.-14. Nov. Umgegend von Calais bombardiert. Opfer unter der Zivilbevölkerung. Da muß ich an die 77. Pris. Of War Cop. denken, die wahrscheinlich noch bei Les Attaques liegt, zusammen mit 75er, 72er, 87er, 47er Gefangenenkompagnie. ...
The Laboe Naval Memorial (Laboe Tower) is a memorial located in Laboe, near Kiel, in Schleswig-
Die Bilder vom englischen Photographen sind fertig. 1½ Dutzend für 7½ sh. hab ich erstanden und hoffe, bald einige heimschicken zu können.
Der Spaziergang wegen Regen ausgefallen. Ich von Oblt. Schmidt (Afrikaner) in den beiden letzten Spielen des Schachturniers glänzend reingelegt, sodaß ich weit davon entfernt bin, am Endkampf teilnehmnen zu können.
In England und Frankreich herrscht Siegerfreude. Die Glocken sind geläutet, denn die Engländer haben einen glücklichen überraschenden Stoß bis über die Siegfriedstellung hinaus gemacht, der ihnen gut 8000 Gefangene einbrachte, (darunter einen schimpfenden Oberst) und sie bis dicht vor Cambrai brachte. In Norditalien, in den Südalpen haben wir kleine Fortschritte gemacht, in Palästina die Engländer, die wohl bald in Jerusalem einziehen werden.
Aus dem revolutionären Rußland laufen die wildesten Nachrichten ein. Augenblicklich führen die Extremisten unter Lenin das Szepter, die sofortigen Friedensschluß verlangen, die Demobilisation der Armee soll begonnen werden. Ein Fähnrich ist Generalissimus. Soldaten und Matrosen nehmen hohe Beamtenstellen ein. Warmes Brausebad. Klampfen. ...
25.11.1917
Auf dem eisüberzogenen Schnee scheint die sonntägliche Morgensonne. In märchenhafter Pracht, wie von einem feinen Schleier bedeckt, liegen die Höhen von Colsterdale mit den Wäldchen, den kahlen Felsen, den grünen Wiesen und den grauen weningen menschlichen Wohnungen vor unsern Augen. Über allem ein hoher, reiner, blauer Himmel. Und doch sind wir Gefangene! Und doch ist Krieg!
Prahlerisch steht im Kopfe der "Weekly Despatch": "British capture over 100 German guns." "Stubborn resistance near Cambrai."
Vorträge der letzten Woche: Donnerstag und Freitag nachmittag trug mein Lehrer Oberarzt Dr. Dennecke, der leider in Kürze über Kegworth und Holland nach Deutschland reist (der Glückliche), sehr fein und lebhaft vor über Sanitätswesen und das Wirken der Ärzte im Kriege. Donnerstag abend sprach Lt. Weinrich über die soziale Tätigkeit der deutschen Studentenschaft. Sehr schön! Gestern abend, wie alle Sonnabende, Marinevortrag von Oblt. Schiwiz über Organisation der Marine. Etwas langweilig! Undankbares Thema, das seinen Nachfolger nur dazu dienen sollte, ihnen bei ihren Spezialvorträgen über Taktik oder Marineflugwesen ein näheres Eingehen auf Fachausdruck der Organisation zu ersparen.
Heute drei Briefe und drei Karten von Vater, Rudolf, Ina, Mutter und Erika.
Jetzt stille Stunde am Sonntagnachmittag! Eben schlemmerhaftes Kakaotrinken mit Kuchen von Hause und Honigbrot. Friedrich und Clauss halten sich gegenseitig große Reden. Die andere lesen, Dongus schreibt seinen Brief. Ich gleich. Auf dem Ofen singt das kochende Wasser. Draußen heult der eiskalte Sturm.
28.11.17
Heute in der Frühe haben uns alle Ärzte verlassen, um über Kegworth und Holland nach Deutschland zu reisen. Oberarzt Dr. Dennecke, mein Lehrer, hat Vaters Anschrift mitgenommen, um über Paketausgabe und Behandlung zu schreiben. Schade, daß er fortgeht. Unter seiner Anleitung würden mir die medizinischen Arbeiten bedeutend leichter.Gestern abend bekam ich ein großes Stück von Rudolfs Geburtstagskuchen, den wir heute nachmittag bei einer Tasse Schokolade verzehren wollen. Millberg, der einzige Husar in dem Lager, holte mir das Paket, weil ich gestern nachmittag gleich nach dem Appell am gemeinsamen Zupfgeigenspiel teilnehmen mußte. Das erste Mal im Chor gespielt. 5 Klampfen. Beide Lieder, das schwedische Liebeslied und "Ave Maria" klappten für erste Mal schon ganz leidlich.In unserer Baracke hat unsere Familie, früher von Kanze Dicke (jetzt Bar. 7) "Oberhaus" begrüßt, eine Veränderung der Möbelaufstellung vorgenommen, sodaß wir jetzt Wohnzimmer vom Schlafzimmer durch grünen Vorhang getrennt haben. Guggenheimer, Fries und ich arbeiten und spielen jetzt gemeinsam an einem schön gedeckten Tisch, dicht am Ofen, von Tag- und Nachtlicht gleich günstig beschienen.Haase ist seit einiger Zeit wegen seiner schlecht geheilten und immer noch sehr schmerzhaften Wunde im Lagerlazarett, wo seit gestern ein englisches, sehr jüdisch aussehendes Mädchen als Pflegerin sein soll. Gestern haben uns die Ordonnanzen in gemütlichen Abendstunden über die Gefangenschaft durch gute, lustige gesangliche und schauspielerische Vorführungen hinweggehoben. Die 6d war es wert. Vorgestern haben Schmidt, Lorenz, der Bayer, den ich den "Klooman" nenne und ich gerauft. Mich nennt er gewöhnlich mit seiner M.G. Schnauze "Soldat" oder "frecher Kerl". Gegenseitig haben wir die freundschaftlichsten Ausdrücke, vertragen uns aber sehr gut; denn es ist nicht bös gemeint. Beim Raufen "ergibt er sich oft freiwillig", wenn ich aber die Hand von der Gurgel lasse, rattert er wieder los. Letztes Mal blieb mir die blecherne "9" seines Achselstück am linken Daumen stecken, was sehr ergötzlich aussah. So floß auch Blut. Die heutige "Yorkshire Post" bringt weitere Fortschritte der Engländer vor Cambrai, erbitterten Widerstand der Deutschen dort und der Italiener in den Alpen.
[O1] Gegen 50 Morsumer (Insel in der Nordsee) werden zum Waffendienst gerufen, davon 15 an die Kampffronten. "Die Feldpost", herausgegeben von Pastor Gleiss, kommt vierteljährlich in jedes Haus und zu den Feldgrauen.
6.12.1917 "Nikolaustag"
”Enemy offensive in Italy resumed.” “A few German attacks near Cambrai repulsed.” “Mesopotamian success with Russian co-operation“. Lauten die Überschriften der ”Manchester Guardian“. Die Waffenstillstandsverhandlungen gehen weiter. Schon gestern hätte ich schreiben können daß die Maximalisten das russische Hauptquartier nach Kampf eingenommen haben. Suchonin der alte Oberbefehlshaber wurde aus dem Zuge geworfen und getötet.
Eben den Empfang von £ 3.12.8 aus Husum bestätigt. Wilhelm schreibt wieder von Nordstrand, wo er landwirtschaftlich arbeitet. Von Vater endlich wieder einen Brief (12b) von 3. November.
Es regnet und stürmt aus Nordwest. Husumer Wetter! Ich kann meine Gedanken heute weder zur Arbeit noch zum Lesen sammeln. Heute morgen hab ich nur wenig stenographiert. Mein Geist wandert hin und her. Nirgends setzt er sich fest. Die Unruhe überträgt sich auf den Körper. Ich merke immer mehr, daß ich nervös bin. Alte Willensschwäche macht sich manchmal wieder breit. Oft einen ganzen Tag lang! Ob das Gefühl der Unfreiheit und das Heimweh dazu beiträgt!? Mein Geist fährt der Heimat entgegen und sieht freudig Menschen alte liebe Bekannte und Freunde die längst unter einem Kreuz liegen. Er wandert in Straßen, unter Häusern der grauen Stadt, die unverändert aber aber doch abgetragen sind. Wie wird die Heimkehr? Bange Ahnungen muß ich niederdrücken. Wann kommt die Heimkehr? Würde ich überglücklich, vor Freude jauchzend meiner Mutter meinem Vater in die Arme fallen?
Brief von der Front 10 Tage vor Weihnachten
24.12.1917 Heilig Abend in Breary Banks
Mittags! Gleich 12. und noch keine Post. Nach Hause schrieb ich gestern unter anderem, daß ein neuer Herr gekommen ist, der am 6. Dez. über London im "Gotha" abgeschossen wurde. Daß er bis jetzt im Gefängnis saß, hab ich nicht zu schreiben gewagt; aber, daß er durch seine Erzählungen unsere Zuversicht nur verstärkt. Jetzt kommen wieder 40 "Neue", obgleich das Lager voll ist. Zwischen die 21 Betten einer jeden Baracke müssen also noch 2 Betten geklemmt werden. Ich bin jetzt im "Frauenabteil" (Nichtraucherraum) mit heimlichen Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Die Ferien begannen gestern. Auf sie hab ich mich fast ebenso gefreut wie auf der Schule, obgleich ich hier nur unter dem schönen, freiwilligen Arbeitszwang stehe. Die kirchliche Feier heute Nachmittag ist für alle, also interkonfessionell. Das kann ich mir nicht recht vorstellen. Das Wetter ist nicht so kalt, aber unweihnachtlich matschig. Für Minuten sehe ich zwischen den südostwärts jagenden grauen, weißen und violetten Wolken blauen Himmel und goldene Sonnenstrahlen.
In den eben gekommenden Daily Mail lese ich von weitern nur: "Rhonda can serve all foods in the shops." "All fronts lively." "Italians hold their gains." In der Yorksh. Post: "Further advance in Palestine." "Another Gotha brought down." "Trotcky less hopeful" u.s.w.
Heute Mittag gibt's Gänseklein und heute Abend Gänsebraten, nachher Gebäck, dann musikalische Vorführungen.
26.12.1917 Weihnachten
Die kirchl. Feier begann mit dem Chorgesang "Ehre sei Gott in der Höhe". Dann gemeinsam "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Lt. Balla las Lukas 2, 1-14. Dann wieder gem. Lied mit Orchesterbegleitung "O du fröhliche". Ich ließ während Balla's Rede den Glanz der Lichter und die feierliche Stille auf mich wirken, während seine Worte selbst mir nicht viel geben konnten. Er sprach von schönen Weihnachtserrinerungen aus Kindertagen, von den Lieben Daheim, von Gott und Jesus, dem Menschen mit der gewaltigsten, reinsten, liebevollsten, gottergebensten Seele, von dem bald kommenden "Friede auf Erden", jetzt, wo im Rücken Deutschlands der Krieg eingeschlafen ist. Bald werden auch die anderen Köpfe des Drachens abgehauen werden. Zum Schluß: "Stille Nacht, heilige Nacht." An Post bekam ich nur eine Karte von Mimi Wilke am 25. und heute eine von Mutter vom 24. November.
Nach dem Gottesdienst versammelte sich die Familie Fries vor dem grünen Vorhang. Vater und Mutter (Fr. u. Ggg.) zündeten die Lichter des Bäumchens und des Gabentisches an. Wir warteten im Dunkel wie zu Hause. Der Vorhang geht auf. Wir stehen im traulichen Lichterglanz im Halbkreis um Bünting, der mit Nachtkleid und Heiligenschein aus Pappe angetan die Buchbergersche Weihnachtszeitung vorliest. Vorher warnte er uns, auf die Geschenke zu schauen, da wir schon schielten. Ich entdeckte nämlich schon bei dem Zettel mit meinem Namen in der Mitte der drei Tische einen Hockeystab, den ich wirklich nie erwartet hatte. Die Kopfzeichnung der Zeitung war von Fries und stellte in humoristischer Weise die Familie dar, der Vater in Schlafrock mit Schlafmütz und langer, qualmender Pfeife. Zur linken, ihm gegenüber die Mutter Guggenheimer. In diesem elterlichen Rahmen die Kinder, ich als das jüngste auf dem Nachttopf, die Hände staunend und freudig zum herabschwebenden Weihnachtsengel erhoben. Die übrigen Zeichnungen mit Versen stammen von Buchberger: Fries als Künstler und M … dargestellt. Gggheimer als Mathematiker. Mein Vers begann: "Und dem Rienau bringt der Christusknabe diesen schönen Hockeystabe." Clauss, der sich oft "mit viel Geschicke den Scheitel ziehe bis ins Genicke" bekam eine Flasche Brilliantine, damit er sich anstatt mit Schweinefette mit Brilliantine den Scheitel glätte. Zum Schluß kommt Friedrich. Selbst hat sich der Buchberger natürlich nicht angepflaumt. Von Bünting lag auf meinen Platz ein Buch mit Liedern zur Laute: S./l. kleinen Rienau. Bünting. Weihnachten in Colsterdale. 1917. Buchberger war von Fries u. Ggg. mit einem blauen Buch "Deutsche Burgen und Schlösser" beschenkt, Fries mit einem Band der "History of the War" (von Manchester Guardian) u.s.w. Ein Weihnachtslied wurde gesungen. Gegenseitiges Bedanken. Überraschung. Bestaunen der Zeichnungen. Gemeins. Kaffeetrinken.
Zum solennen Abendessen gab's vorzüglichen, reichlichen Gänsebraten mit Rotkohl, zum Schluß Südfrüchte (Aprikosen oder Ananas). ....
Holyport 13. Juni 1918
Mit dem 8. Juni ist ein Abschnitt meiner Gefangenschaft abgeschlossen. Ein bedeutender Tag in unserem eintönigen Treiben! Die letzten Nächte in Colsterdale in Bar. 10., 2. und Stabsbaracke zugebracht. Am Krematorium kleines Freudenfeuer. Verbrennen der ganzen "freien Volksbühne" u. a. Am Abend des 7. Abschied von den Ordonnanzen, die allein im Nordlager bleiben. Untersuchung in der Messe des Südlagers. Letzte Nacht auch dort verbracht. Fast alle schlecht geschlafen. 4 Uhr Aufstehen. 4.30 Frühstück mit Brot mit Butter und Kuchen. 5.00 Abmarsch bei klaren sonnigen Wetter. Letzter fröhlicher Marsch nach Masham. Abfahrt 7.08 über Ripon, Marston Moor, York, Doncaster (10.50), Peterborough, London (Kings Cross Station). Von dort über Nottingham Place mit Autos durch die belebte Millionenstadt bis Paddington Station. Dort Aufenthalt von 3-4.30. Brot u. Tee. Dann über West-Ealing, Westdrayton (Windsor), Topplow nach Maidenhead. Zu Fuß zwischen Bäumen, Hecken und hübschen Villen auf ebener Asphaltstraße schwitzend 3km nach Holyport. Nach Untersuchung Bar. A5 bezogen zus. mit Schertz, Fischer, Voges, Wolff, Ziemann, van de Loo, Schröder. 2 x Abendessen. Sehr gut nach dem aufregenden unvergesslichen Tag geschlafen.
1. Juli 1918
Montag. Gestern abend zweites Gartenkonzert bei Apfelwein. Während unter den großen Kastanien der Kapelle die an kleinen Tischen sitzenden Gruppen der Offiziere dem bekannten Marschlied "Abschied der Gladiatoren" lauschten, berieten oben in einem verschwiegenen Unterrichtszimmer des Schlosses Neumann, Hacker, Grashoff, ein Krüppel und eine Postordonnanz über den kommenden Dienstag ... Inzwischen wurde das Programm unten abgespielt: "die Männer sind alle Verbrecher", "Mädchen sind wie Engelein", "Luna Walzer", "Es war in Schöneberg", "Kind ich schlafe so schlecht", Walzer aus "die geschiedene Frau". In Holyportscher Umgegend ging ich bisher erst dreimal spazieren. An die Themse gibts leider nicht. Schlagball fast jeden Nachmittag, manchmal auch Beteiligung an Fußball oder Hockey. Infolge reichlicher Pakete aus Deutsch- und Holland bin ich dazu imstande.
7. Juli 1918
Sonntag. Verhältnismäßig gutes Mittag= und Abendessen. Flottes Schlagballspiel am Nachmittag! Grashoff gewinnt gegen Petersen mit 84:74. Abends besiegt mich in ermüdendem Billardspiel Schaumkell mit 25:17 in einer Stunde. Richthofen-Flieger Lt. Keseling abends von 1 Flasche Wein schweinisch besoffen!
15. Juli 1918
Montag. Gestern abend wohltuende, ergreifende Kammermusik – Brahms. Vor vier Tagen von Fritz Voges Freundschaft und Liebe geboten. Ehrenratswahl. Wahl der Vertrauensmänner. 2 Zimmer, 16 Herren wählen in einem. Voss in die Küchenkommission gewählt (oder befohlen?). Endlich! Ob’s besser wird? Oblt. Schumacher (Flieger) aus „Gesundheitsrücksichten“ von seiner Adjutantur zurückgetreten. Lt. Prill (Flieger) 1., von Wülknitz 2. Adjutant geworden. Wieder ein kleiner Sieg der Colsterdaler! Jetzt müßte nur noch die ganze Lagerverwaltung und Küchenkommission gestürzt werden. Nachdem es tagelang durch’s Dach geregnet hat, beginnt man jetzt bei schönem Wetter mit dem Teeren. Einige Anfragen, die wir von A5 der nächsten Vertrauensmännersitzung vorlegen wollen, werfen ein gutes Licht auf unser Dasein, daß uns von deutscher Seite noch schwerer gemacht wird:
1) Wie ist es möglich, daß der englische Sergeant-Major täglich gegen 1 Uhr mittags in unserer Küche speist?
2) Ist es möglich, daß Herren, die nicht in den Baracken speisen, morgens mehr Porridge erhalten als wir in den Speisebaracken? Unsere Messeordonnanz (Bar.II) berichtete uns so.
3) Ist es durchaus nötig, daß die Stubenordonnanzen den Stubenschmutz auf die Barackenstraßen vor die Türen fegen?
4) Wird von der Verwaltung gegen das Durchregnen in den Baracken nichts unternommen?
5) Könnte das Eßgeschirr nicht sauberer abgewaschen werden? Könnten die Messer nicht besser geputzt und ab und zu geschärft werden?
6) Wie war es möglich, daß wir schon zweimal verschimmeltes Brot erhielten?
Jetzt endlich werden die in den Teerboden gesunkenen Bettfüße gehoben und auf zementene Platten gelegt. Oblt. Schumacher zieht neben uns in A4. – Ich versuche es zum 1. Male mir einen Schnurrbart stehen zu lassen. Vorgestern Abend klampften Schaumkell und ich zusammen. Schließlich kommt eine weitere Zupfgeige, sogar eine Geige dazu und der Radau ist da. Nach „Light out“ um 10.30 beginnt plötzlich ein wunderbares Tiergeschrei. Hühnergegacker, Grunzen von Schweinen, Miauen von Katzen, Heulen und übernatürliches Bellen von Hunden, Kühe, Schafe, Pferde, Kanarienvögel usw. ja sogar Granaten lassen sich hören.
16. Juli 1918
Oblt. v. Zedlitz, der seit kurzer Zeit die Ord. Komp. überkommen hat, machte einen Anschlag betr. Arbeitszeit für Ordonnanzen, der Major (Schummerich) schreibt drunter: „Wo steht denn das geschrieben?“ Darauf ist natürlich v. Zedlitz von seinem Posten zurückgetreten. – Voss, der nicht gewählt, sondern durch Anschlagsbefehl vom Major in die Küchenkommission befohlen ist, weigert sich. – Ein sonnniger Vormittag! Alles wartet wieder gespannter denn je auf die Zeitung. Gestern abend schon wurde bekannt, daß die deutsche Offensive von Amiens bis Chateau-Thiery begonnen hätte. Vom Haag soll die Nachricht da sein, daß alle Mannschaften auch nach 18 Monaten ausgetauscht werden.
31.7. 1918
Endlich hat sich das Gewitter der Ehrenwortfrage gelegt. Die meisten geben dem Engländer ihr Ehrenwort wieder. Ich nie wieder! – Infolge einer Sehnenverrenkung (oder Bluterguß?) kann ich trotz des heißen Sonnenwetters keinen Sport mitmachen. Aus der Heimat seit Tagen sehr viele Pakete! Seit 2 Wochen statt der oft faulen, endlich neue Kartoffeln! Viele Tomaten! Mit Frl. Petersens Butter-Talg gebraten! Mit Voges oft zweites Frühstück eingelegt. Maggisuppe mit holländer Wurst u. Ei drin! Nachts viel Scheinwerferspielen im Osten. Tags Flieger=Mätzchen in Richtung Bray. Vor 3 Tagen A5 photographiert. Lt. Nagel fängt Bienenschwarm ein, den wir jetzt öfters besuchen. Seit kurzem ein neuer Captain Loraine (Commandant Assistent). Wäsche konfisziert!
10.8.1918
In letzten Tagen viele Geburtstagspakete erhalten. Gestern schneidiger Versuch von Lt. z. See Buchheister. Leider nur 1 Std. Freizeit. Sportplatz nur noch unter Bewachung offen. Spazieren gehe ich nie mehr. Heute vorm. mit Voges Schlagball gespielt. Lt. Engel rät mir, doch mein Hemd anzuziehen von wegen der Bevölkerung und aus Rücksicht auf die Kameradschaft. Für beides hatte ich kein Verständnis. – Südlich der Somme leider seit zwei Tagen erfolgreiche englische Offensive. Gestern abend Schiller=Abend. Aus „Wallensteins Lager“ die Kapuziner Predigt, aus „Piccolomini“ u. „Wall. Tod“ je eine Szene aus dem 5. Akt Ergreifend war eine Szene aus Wilhelm Tell. Prachtvoll wurde von v. Haniel der junge Melchtal gespielt. Letzten Sonntag u. Montag gute Mozart-Musik des Haus=Orchesters. Heute die 12 bestellten Photographieen (6.6) erhalten und an Verwandte und Bekannte in Deutschland verteilt. Vor mir liegt die „schöne Heimat“, ein liebes Geschenk von Erika. Leider ist das Wetter seit einigen Tagen wieder sonnig und trocken. Mein Schlaf immer noch durchweg schlecht. Daher eines Abends im Bette wälzend an den Tisch gestoßen, sodaß Ggg. schöne Vase in tausend Scherben auf dem Asphalt lag. Auch andere wertvolle kleine Sachen sind mir im Laufe des Gefangenschaft verloren gegangen, z. B. Stubenrauchs Kriegsschiff in Colsterdale gelassen, Buchbergers Portrait von mir u. a.
21.8.1918
Gestern ein Freudentag. Ina hat mir ein Stück Heimat gesandt. 49 feine Aufnahmen, die ich bald in das Album stecken werde. Ich bin nicht gerade abergläubisch, aber doch liegt so eine bange Ahnung in mir, als ob ein Unglück geschehen wäre, die kleine „Kriegsersatz“ Vase, die mir Fritz zum Geburtstag schenkte, warf vor der Tür in Stücke; die rotgoldnen Blumen lagen im Schmutz. Heute morgen träumte ich unruhig von Husum. Ein Geburtstagsständchen weckte mich früh. Im Bett las ich dann die letzten Zeilen von Storms „In St. Jürgen“ Ich glaube, seit über 1 Jahr zum 1. Male zuckte ich unter erlösenden Thränen, die mein Kissen reichlich benetzten.
26.8.1918
Montag. Vor 3 Tg. erschien ein neuer Lagerältester, Major u. Rgts.-Kmdeur Graf Brockdorf, der erzählt, daß die jungen Elsässer an der Front sich weigern, nach vorne zu gehen, daß in Southampton – Bear’s Mountain – noch 300 Offiziere sitzen. Heute morgen träumte ich, Wilhelm sei auf Sylt in Kampf gegen Morsumer gefallen. Sonnabend, also vorgestern anläßlich des Geburtstages von Major Schrott, der froh ist, nicht mehr Lagerältester sein zu müssen, 1 Aufführung der großen Lager-Revue. Musik von v. Pieverling. In 6 Bildern: In der Garnison, In Polen, In Brüssel, Schützengraben, P.O.W. in Canada, Ein Traum (Zukunftsbild). Gestern abend wieder gemütlich mit Fritz in der Schloß=Vorhalle gesessen u. zus. mit Fritz Lau gelesen und dann lange über die blendenden Draht=Lampen in das düstere Dunkel über die Themse hinweg geschaut und geträumt. Voges bangte vor den ersten Tagen in Deutschland wegen seiner 3 Tage Stubenarrest.
* gemeint sind sicherlich:
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Der Autor war bis zu seiner Gefangenschaft im April 1917 Mitglied im Reserve-Infanterie-Regiment 266, 10. Kompanie.
Das Tagebuch im BBC Radio: http://www.bbc.co.uk/programmes/p02b5n44
Bilder & Fotos von der Front siehe:
http://www.europeana1914-1918.eu/de/contributions/1989#
http://www.wiseacres.org.uk/rienau/
Von Spurensuche in Europa |
Swimming Pool für die Kriegsgefangenen in Holyport
St Michael's Church, Bray, Berkshire near Holyport, near royal residence Windsor castle
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Ostern an der Ostfront
Brief seines Bruders von der Front in Russland am 23.4.1916
Ihr Lieben!
Ich schreibe ----- abschickt. Bis jetzt haben wir Ostern ganz schön verlebt. Gestern abend um 8 Uhr, als ich auf Posten zog, fing der Russe plötzlich an, Leuchtkugeln abzuschiessen, dann rasselte sein Maschinengewehr, schliesslich schoss die ganze Bande, was aus den Flinten raus wollte. Dann flammte der ganze Himmel rot auf, und Schrapnelle und Granaten platzten in der ganzen Gegend. Noch schiesst unsere Artillerie nicht, aber auch beim Russen platzen Schrapnelle. Da meinten die Affen, wir wollten angreifen, und hatten fürchterliche Angst. Endlich nahm unsere Artillerie den Wald halblinks, wo sie sitzen, kräftig unter Feuer, und nun wurde auch das russische Schiessen ruhiger und besser. Salve auf Salve sauste rüber zu uns, glücklicherweise nur selten eine schwere Granate dabei. Wir hatten auch allerlei Treffer vorne in der Deckung und sogar einen Volltreffer einen Meter von meinem Nebenmann in der Hinterwand, aber die Granaten fliegen so flach, dass sie nicht auf den Grund kommen können, und so wurden wir nur mit einer Ladung Dreck überschüttet. So ging es bis 9 Uhr, dann flaute das Feuer ab.
Heute morgen um 2 Uhr hole ich Kaffee, um 5 Uhr ziehe ich auf Posten. (Um 2 Uhr wird es schon langsam hell.) Die Sonne schien herrlich vom wolkenlosen Himmel. Drüben (500 m entfernt) ruft ein Panje etwas, -ich rufe wieder, er guckt über die Deckung, ich winke. Schliesslich kommen auch bei uns mehrere noch und rufen und winken, auch beim Russen. Ich winke m i t den Husumer Nachrichten und rufe: „ Panje, Panje, putscht!" (ich komm!) Dann nehme ich meine Feldflasche, setze sie an und rufe: „Wutki, Panje. Ah, dobsche“! Die kommen immer höher, und auf dem ganzen Abschnitt wird gerufen und gewinkt. Endlich kommt einer aus dem Graben, klettert durch den Drahtverhau und geht langsam auf die Mitte zu. Von unserem dritten Zug auch einer und immer mehr. Sie schütteln sich die Hände, tauschen Zigaretten aus, setzten sich im Kreise hin und schwatzen. Leider durften wir hier oben nicht raus, und so benutzte ich die Gelegenheit und kletterte hinten über Deckung und lief zum Bataillon, um einen Pfahl zu holen, den wir nötig hatten. Der Laufgraben steht nämlich voll Wasser. Als ich wiederkomme, sind die Panjes dabei, ihre Toten wegzutragen. Nun gehen auch von uns hier oben ein paar Mann los vor den Drahtverhau, und wir beerdigen einen russischen Feldwebel, der unmittelbar vorm Draht liegt. Wir hatten in der letzten Zeit bemerkt, dass etwa hundert Meter vor uns ein Posten stand, wussten aber nicht genau, was damit los war. So stiefeln wir die Höhe rauf, ich rechts,
Gefreiter Fandreid links. Der steht plötzlich fünf Meter vor einem Loch, in dem zwei Russen, das Gewehr vor sich auf Deckung, ganz ruhig stehen. Er grüsst: „Panje, Panje“ und geht zurück und ruft auch mich zurück, da ich schon etwas am Posten vorbei war. Wir schlendern noch ein bischen rum, bis drüben aus dem Russengraben das Maschinengewehr einige Schüsse in die Luft schiesst als Signal: "Schluss der Vorstellung." Alles verschwindet. Aber noch immer ist die Stimmung ganz friedlich, selten fällt ein Schuss, nur die Artillerie befunkt sich und die Flieger, die andauernd in der Luft kreisen. Heute nachmittag befunkt unsere leider ab und zu auch den Russengraben, und bald wird der Krieg wohl wieder los gehen. Die 264er, die links von uns liegen, sollen vier Überläufer haben, darunter einen aus Wilna und einen aus Warschau. Dem Unteroffizierposten vor uns winken wir noch ab und zu mal rüber, aber er ist ganz still, denn nun ist es ein gefährlicher Stand für ihn, weil wir das Loch ganz genau kennen.
Heute abend werden wir nun ja abgelöst und kommen wieder ins Waldlager. Hoffentlich bleibt es ruhig. Herzlichen Gruss! Euer R.
Das Kriegsende in Deutschland – Brief der Mutter an den Soldaten
Husum 10.11.1918
Mein lieber …
auch ich hätte nicht gedacht, daß ich Dir unter so erschreckenden Verhältnissen zu Deinem Geburtstag Glückwünsche müßte. Ich bin ganz sicher, daß wir, unser Vaterland, unser Kaiser ein solches Ende nehmen sollte, ich kann und kann es nicht fassen, daß es so kommen konnte. Schlag auf Schlag, was für eine ... war die letzte. Wir, die wir noch in ruhigen Verhältnissen leben, haben ja nur eine Ahnung von den schrecklichen Tagen durch die Zeitungen und Erzählungen. d.h. heute am Sonntag wurde durch die Glocken ausgerufen, daß eine öffentliche Versammlung bei ... zur "Aufklärung über die jetzige Lage mit Musik und roten Fahnen wurde dann ein Umzug veranstaltet. Seit gestern liegt auch ein Schiff mit roter Flagge im Hafen.. Aus den Kasernen der Garnison waren die Soldaten weggeschickt. Flüchtlinge, wie Seeoffiziere aus Kiel und Lockstedt LG kommen hier an. So kam gestern ein Ltn. ... , der Dich mal kennengelernt hat als Du Dir seine Achselstücke ....und auch mal in Lübeck getroffen hat, ganz erschüttert hier an. Nachdem was er in Lockstedt erlebt hat schrecklicher als an der Front, sagt er. Von dort ist vom Soldatenrat alles nach Hause geschickt. Offizieren Achselstücke abgerissen, die alten Herren die da waren, mussten vorm Soldatenrat antreten ohne Achselklappen und Kokarden. ...zerschlagen sich selbst neu gekleidet .. Dem hab ich auf seine bescheidene Bitte Zivilzeug gegeben, damit er nach Hause (Oberhausen) reiten konnte.
Seeoffizier in Zivil sind nach Nordfr. land gefahren, das heißt Pastor Schmidt nahm sie mit, weil er eine Beerdigung da hatte. Die von Vater und dem Probsten Rat haben wollten. Sie nahmen auf Nordstrand Arbeit an um Papiere als Arbeiter zu bekommen. Da sie gänzlich ohne Papiere waren. In was für eine Heimat kommt Ihr zurück. Aber lass den Mut nicht fallen, es gibt noch einen Gott. Sollte diese Bewegung um sich greifen auch auf die Front, auf Euch, nehmt Euch selbst die Achselstücke ab, damit sie Euch nicht ... werden und besudelt. Eine himmelschreiende Schmach widerfährt unserem Vaterland dass ich um Euch drei in grosser Unruhe bin wirst Du verstehen. Ich kann mir ja nicht denken dass die ... verschont bleiben, Gott helfe auch Wilhelm dass rechte zu treffen und glücklich heimzukehren. Ich habe gehört dass der englische Gefangenenaustausch vor sich geht. Da Deutschland auf die ... Deutschen verzichtet hat. Die armen Gefangenen wie anders haben sie sichs gedacht, nach Hause zu kommen und wir auch. Hätten wir ihn nur erst hier um Dich weil Du Offizier bist , bin ich sehr in Angst. Auf die Offiziere haben sies abgesehen. Sieh Dich vor und verhalt Dich ruhig. Lach mich nicht aus, wenn ich Dir rate hol Dir den Zivilzeug aus Oberhausen Rheinland oder von Onkel Karl Gries, Buchhändler Dürckheim/Pfalz. Fahr nich über Kölln, ich denke und denke so viel, damit ich Euch warnen kann. Ich weiss gar nicht ob es noch Zweck hat Dir was zu schicken. Einige Deiner Wünsche sind unterwegs, Ich wollte Dir nun noch Honig, Wolle und Zwirn schicken. Rasier... gibts nicht mehr. Aber wenn es nicht ankommt hat es kein Zweck. Halstuch , Kuchen, Taschentücher, Strümpfe ... Kuchen sind unterwegs und werden zu Dir gelangen. Urlauber werden nicht mehr zur Front gelassen, Züge angehalten und beschossen, Offiziere rausgeholt, geduzt. Ich wünsche Dir jetzt nur, dass Du nur erst glücklich durch die Heimat hier ankommst. Die Enttäuschung für Dich, für alle die ihr draussen ausgehalten habt, sind bitterschwer und Eure Zukunft liegt .... die Sorge auf aller Eltern Herz. Wir haben hier alles Gute so selbstverständlich hingenommen, wie ruhig lies sichs Leben unter unserm Kaiser und unter geordneten Zuständen. Und nun? und ... man befürchtet noch Schlimmeres. Gott verhüte es . Oft glaube ich dass das Ende der Welt nahe liegt, denn die Vorboten sind da. Gott redet eine ernste Sprache mit und wenn wir nur hören wollten. Darum warnte ich Euch und bat Euch nicht zu verschlafen es ist noch Zeit das auf zugeben. Hoffentlich hats Du nicht vergessen zu beten und zu danken. Es tut mir sehr Leid, dass Vater Dir so wenig geschrieben hat, Du musst so denken, das ich oft an Dich schreibe, da hat er gedacht er könne noch warten und hat es immer aufgeschoben aber gewiss er hätte Dir noch eher Stütze und Halt sein können als ich es kann. Es ist sehr schlimm wenn Du gar nicht schreibst. Wir können doch nicht wissen ob es Dir so sicher geht wenn mit Vater etwas wäre, würde ich es Dir doch schreiben. Ach lass wenn Dus kannst und unter diesen Verhältnissen wirst Du es können Deinen Geburtstag ohne Feier vorüber gehen, es ist keine Zeit zum Feiern. Weiss denn jemand um deinen Geburtstag? Zwei Flaschen Wein im Monat sind noch viel zu viel mein lieber Junge. Kasinorechnungen sind schlimm. Das ist ein Grund der Erbitterung bei den Mannschaften dass die Offiziere so flott leben. Es ist auch nicht Recht. Schipper hat immer mit seine Leuten gegessen. Er ist noch hier. Aber ... kann er nicht, weil er nicht an die Front gelassen wird. So nun hab ich ja mal ordentlich was geschrieben. Hoffentlich bekomme ich bald wieder ebensoviel. Von Johannes kamen heute zwei Briefe 66 und 67. Von Wilhelm über Erika beiligend ein Brief. Dich grüsse ich und gebe Dir ein herzlichen Geburtstagskuss und erbitte alles gute für dein neues Lebensjahr.
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PS: Heute wird hier in Husum ein Arbeiter - und Soldatenrat gegründet. ... Da wäre der Probst gekommen und hätte versucht, sie zu beruhigen.als er zu ihnen sagte, dann würde es auch mehr Brot geben. Da soll eine Frau zu ihm gesagt haben: Du, oll swatte Düvel, Du schullst in de Kark ophängst warn. Ob`s nun wahr ist, weiss ich nicht.
Aufstand & Gefechte gegen die Aufrührer in Halle an der Saale i. Jahr 1921 mit der Polizei / SD
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2. Weltkrieg / Kriegsende 1945 in Deutschland
29.April 1945 "Sonntag Kantate"...
... Deutsche, Russen, Polen und französische Kriegsgefangene ...
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